Die Kunst des Auflegens: Mike Rui
Ralf Odermann traf in der Essener Goldbar mit Mike Rui einen der wichtigsten Protagonisten des Ruhr-Techno zu etwas, das möglichst den Auftakt zu einer längeren Reihe bilden soll. Ein Interview über das Auflegen von Schallplatten (oder Files) vor Menschen, die gekommen sind, um dazu zu tanzen.
Mike Rui ist seit Mitte der 90er DJ, bildet zusammen mit seinem Freund Cramp das Duo Quartier Midi, betreibt das von den beiden gegründete Grokenberger Records Label mittlerweile alleine und ist seit über 10 Jahren im Essener Goethebunker für die Veranstaltungsreihe „Untertauchen“ verantwortlich, bei der schon unzählige großartige DJs (Surgeon, Ben Klock, DVS1 to name a few…) aufgelegt haben.
Vor allem ist Mike ein extrem netter Typ, der viel über die Kunst ’ne stilvolle Abfahrt zu kreieren zu erzählen weiß.
Wie bereitest du dich auf ein Set vor? Weißt du vorher schon, was du spielen wirst?
Das ist unterschiedlich, würde ich sagen. Teilweise ja, teilweise nein, das hängt sicherlich auch davon ab, wo ich spiele, ob’s ein Resident-Abend ist, also bei einer eigenen Veranstaltung, oder ein Booking, und was für Ideen ich gerade habe. Wenn ich mich vorbereite, dann meist so, dass ich zu Hause wild Platten auflege, vielleicht auch meine Plattensammlung durchstöbere, Sachen rausstelle, die ich lange nicht gespielt habe, die dann auf den Teller schmeisse. Und dann ja/nein, rein/raus, sozusagen. Manchmal, wenn ich unsicher bin, was mich so erwartet, stelle ich mir auch schon so’ne erste halbe Stunde zusammen, keinen genauen Ablauf, aber so grob.
Du. spspielst also nicht in der Hauptsache aktuelle Tracks?
Nee, für mich hat die Aktualität eines Stücks keinen Stellenwert. Mal spiele ich ein Set mit vielen aktuellen Tracks, dann wieder mit kaum aktuellen sachen.
Hast du ein System nach dem du deine Platten in der Kiste sortierst?
Das habe mich selber schon oft gefragt (lacht). Das ist ähnlich wie bei der Frage von gerade. Manchmal versuche ich das so’n bisschen. Wenn ich weiss, ich spiele ein sehr langes Set, dann versuche ich nach vorne ein paar ruhigere Sachen zu stellen, die also vom Energieaspekt von vorne nach hinten zu sortieren. das klappt aber auch nicht immer (lacht). Also, nee, so richtig nicht.
Wann weisst du, mit welchem Track du anfängst?Sagen wir, du legst jetzt nicht als erster auf, weisst du dann vorher schon, womit du anfängst?
Manchmal ja, manchmal nein. Wenn ich zum Beispiel ruhig, ohne Stress reinkommen möchte, dann hab ich mir auch einen Starttrack überlegt, wo ich dann sage, ich mache einen Break zu dem, der vorher spielt, und ich mache ein bisschen was mit Intro oder so. Ein anderes mal greife ich einfach auf, was der DJ vorher gespielt hat und mixe dann gleich. ich entscheide das dann wirklich erst ein paar Minuten vorher.
Zum Thema Mixing: lange, smoothe Mixe oder beherzte, schnelle Cuts?
Ich mag es unheimlich gerne, lange zu mixen. Es ist aber eher je nach Stimmung, sowohl der ganzen Party als auch meiner eigenen, so, dass es zwischen langen Mixen und harscheren Cuts wechseln kann. Oder kurze Ausschnitte. Techno DJs benutzen zum Beispiel wenig Crossfader, mache ich manchmal aber gerne und mixe so’n bisschen brachialer.
Das bringt ein bisschen Dynamik…
Genau. Bisschen Punk Rock im Techno. Das mache ich schon auch. Ich scratch auch manchmal.
Tatsächlich? Nee…
Nee, nee, kein Witz. Also jetzt nicht so, wie man das vielleicht aus’m Hiphop kennt, aber schon so, dass man merkt, da wird jetzt die Platte kurz vor und zurück gedreht.
Was würdest du sagen ist der Unterschied zwischen einem Typen, der gut mixen kann, und einem großartigen DJ?
Das eine ist erstmal Handwerk. Das muss der grossartige DJ erstmal beherrschen. Grossartiger DJ ohne gut mixen zu können ist sicherlich genauso unwahrscheinlich wie ein schlechter DJ, der eine unendlich große Plattensammlung hat. Letzteres geht eher. Ich würde sagen, dass neben dem Handwerk, dem Gefühl für’s Mixen einerseits ein Gefühl für die Musik, die man spielt, da sein muss, dass man richtig Bock auf den Kram haben muss. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man ein grossartiger Club-DJ sein kann, ohne zumindest eine Zeit lang zu den Menschen gehört zu haben, die halt feiern gehen. Die also wissen, worauf es ankommt. Man brauch eine Art von Empathie.
Was nervt dich am meisten, wenn du auflegst?
kaputte Nadeln. Gäste, die einen vollquatschen. Wenn keiner einem Getränke bringt. Kommt immer ein bisschen drauf an, wo man ist. In einem Club, wo man sich auskennt oder in seiner eigenen Residency, da geht man eben selber sich ein Bier holen.
Es kann natürlich alles mögliche nerven. Was prototypisch ist sind Gäste, die immer neben einem stehen wollen. Um zu winken, was weiss ich, was die da immer machen. Die es wahrscheinlich gar nicht besser wissen, also dass es einen in der Konzentration stören kann. Was auch nervt übrigens, ist, wenn Leute vom Laden selber immer hinter einem rum müssen, weil der Bereich, in dem man sich aufhält, vielleicht nicht so grosszügig ist und an einem vorbei ist irgendwas, wo die dran müssen und dann müssen die da alle zehr Minuten dran und rennen dauernd hin und her , dann muss man sich da so dünn machen…aber gut, da lernt man auch mit umzugehen.