Spion auf 674FM
Claus Bachor – Urgestein im Netradio
Netradiosender sind ’ne feine Sache, es sei denn, man interessiert sich nur für Clubmusik. Dann bleiben dir neben dem hervorragenden Deep Space Radio Detroit nur noch eine Handvoll Stationen. Ibiza Sonica etwa ist ein bisschen zu Techhouse-lastig und Rinse FM ein bisschen zu übertrieben gut gelaunt.
Klar gibt es tolle Einzelformate – etwa das „Vinyl Asyl“ von Dash auf dem Dortmunder Radiosender Eldoradio oder einige Sachen auf Byte.FM, bei Köln Campus und deren „12 Zoll“ und „RadioLoveLove“ oder dem Amsterdamer Red Light Radio. Aber ein Sender, der den ganzen Tag lang durchweg hörbare Clubmusik verspricht? Mehr oder weniger Fehlanzeige.
Hier jedenfalls soll es um den Kölner Sender 674FM gehen, der sich seit einiger Zeit daran abarbeitet, das Spektrum auf diesem Gebiet zu erweitern. 674FM, benannt nach seiner Postleitzahl 50674 Köln, ist ein DJ-Radio, genauer gesagt ein Club-DJ-Radio. House, Disco, Hiphop, Funk, Drum and Bass (mit basic von der Pathfinder-Crew) Techno und einige andere Styles. Eben all das, was am Wochenende in den Kölner Clubs läuft, die was auf sich halten, kann man ganztägig auf 674FM hören. Tagsüber werden Programminhalte wild durchgemischt, ab 18 Uhr gibt es dagegen Themen-Sendungen. Da kann auch das rheinische DJ-Urgestein Claus Bachor nicht weit sein. Er geht momentan einmal monatlich mit seinem dreistündigen Format “Spy In The House“ (an jedem vierten Montag im Monat 19-22:00 cet) sowie wie zweimal im Monat mit dem Zusatzformat „Under The Radar“ on air (zweiter und vierter Montag im Monat, 22-24:00 cet). Anlass genug, ihn zu seiner Sendung und 674FM zu befragen.
https://soundcloud.com/spyinthehouse_radio/[divider line_type=“No Line“ custom_height=“32″][image_with_animation image_url=“1898″ animation=“Fade In From Right“ img_link_target=“_self“][divider line_type=“No Line“ custom_height=“32″]Claus, 674FM gibt’s schon länger…
Gefühlte 5 Jahre, glaube ich. Das Management hat vor rund einem Jahr gewechselt. Vorher waren das z.B. Leute wie Stefan Benn, u.a. der Justiziar des Verbandes unabhängiger Tonträger, der in Köln auch ‘ne Menge Künstler rechtlich berät. Und – wie soll ich sagen – initial wohl mehr Hobbyaktivisten, die sich gedacht haben, wir machen mal schnell ‘nen Radiosender. Dann aber drohten diese beim Aufbau geregelter Sendestrukturen zu scheitern. Dabei geriet das Ding in der Folge immer mehr in organisatorische Schieflage, bis die daraus resultierenden „Turbulenzen“ solche negativen Ausmaße anhnahmen, daß die Existenz des hinter dem Sender befindlichen Vereins ernthaft gefährdet war.
Und jetzt macht das ein Verein?
Am Ende wechselte schließlich dessen Geschäfstführung. Der neue Geschäftsführer ist jetzt Karl-Heinz Müller und der Verein wird jetzt insgesamt nicht nur von den Energien und Ideen der Mitglieder getragen, sondern auch über die regulären Mitgliedsbeiträge von DJs und Sendungsmachern, die alle ihren 10 Euro Monatsbeitrag zahlen, und dabei zum Beispiel auch noch ‘ne eigene Sendung machen…
Von den 10 Euro wird dann die GEMA gezahlt?
Ja, die üblichen GEMA und GVL Regelkosten eben. Häufig finden Sendungen ja auch live statt. Da kommen dann Leute dazu, trinken eben was. Und für den Verzehr der Getränke wird dann ein Obulus gespendet. Zusätzlich werden Erlöse durch Veranstaltungen erzielt und dazu noch über Fördermittel. Der Hauptzufluss kommt mittlerweile über diese und das ist auch gut so. Das Studioequipment wird in Kürze noch verbessert und man merkt einfach, dass sich da immer mehr zum Positiven wendet.[divider line_type=“No Line“ custom_height=“32″][image_with_animation image_url=“1901″ animation=“Fade In“ img_link_target=“_self“][divider line_type=“No Line“ custom_height=“32″]Und wie bist du dazu gekommen?
Durch den ehemaligen Evosonic-Sendeleiter Nick Trick, der da schön länger bei 674.fm gearbeitet hat, jetzt aber vor Kurzem leider ausgeschieden ist. Der hat mich dahin vermittelt, nachdem ich ja lange mit ihm bei Evosonic gearbeitet hatte. Und danach dann bei Cosmium Radio in Stuttgart, wo ich 3 Jahre lang eine eigene Sendung hatte – ich bin damals ja jeden Donnerstag von Köln nach Stuttgart gefahren, um die Sendung vor ort mit Alexander Beeb live zu machen und von dort dann am nächsten Tag zu meinen Gigs weitergereist . Also Nick wollte mich schon zu Beginn des Senders da rein bringen. Aber, wie das in jeder Stadt so ist, man hat ja auch immer seine persönlichen Widersacher. In der Anfangszeit von 674FM saßen da Leute, die mich aus persönlichen Animositäten heraus nicht dabei haben wollten. Drauf geschissen! Solange, dachte ich mir, starte ich erst mal meine eigene „Spy In The House“-Plattform, ganz gemütlich und ohne jeden Zeitdruck. Ich hab dann halt diese Soundcloud-Seite und dazu weitere einschlägige Präsenzen auf Facebook und Tumblr gestartet. Und merkte dann, dass da auf einmal Resonanz kam, sich Leute anfingen dafür zu interessieren. Und dann hat man bei 674FM auf die Soundcloudseite gesehen und fand das auf einmal auch gut. Das kam schließlich irgendwie dann doch ganz entspannt zusammen.
http://spy-in-the-house.tumblr.com/
Das heisst, die „Spy In The House“-Mixes waren also zuerst da, bevor die Sendung entstand?
Richtig. Ich hab einfach ‘ne Soundcloud-Radio Seite gemacht. Und weil ich im Internet schon seit Jahren extrem gut vernetzt bin, spricht sich sowas eben auch rum. Das ist ja auch das Gleiche bei Psycho Thrill. Diese hohen Reichweiten nutzen dem Vinyl- und Club- Brand für die weltweite Wahrnehmung wie für die lokale Party. Und das hat natürlich in den verrückten zurückliegenden 5 Jahren auch unserem BNKR-Ding hier in Köln extrem genutzt. Wo wir sozusagen „below the radar“, an entsprechenden Instanzen vorbei, unser eigenes Clubding mit unserem eigenen, tollen Publikum vollmachen konnten. So haben wir dann auch ein Stück Clubkultur definiert, das es so hier in Köln vorher höchsten noch mit dem Rave Club in ‘88/89 gegeben hat und wohl in dieser regelrecht Underground affinen Form auch nicht mehr geben wird.
Am Ende also war das ein Resultat dieser ganzen konsequenten Facebook- und vorher MySpace-Arbeit. Ab da wurde so viel Reichweite erzeugt, dass ich mit dem Ding nicht bei Null anfangen musste. Man macht zum Beispiel auch ein eigenes Newslettersystem mit rund 1000 relativ frischen, und 1000 Adressen aus den letzten 4 Jahren auf, und schon gerät das Ding als Selbstläufer in Rotation. Es reicht eben heute halt nicht, nur schöne Platten zuhause stehen zu haben und einen guten Musikgeschmack, und dazu vielleicht noch über gute Mix-Skills zu verfügen. Man muss auch die Web-Basics heftigst beackern, damit es irgendwie stetig weitergeht.
Ich war und bin ja wahrscheinlich auch für manche Leute bis heute, weil ich oft zu Dingen, die vielen Leuten im Stillen nicht gepasst haben, einfach immer die Klappe aufgemacht habe, eine in gewisser Weise umstrittene Persönlichkeit in der Szene. Sachkritik wird in dieser selbst oft als persönliche Beleidigung willentlich missverstanden. Und ich hab mir dadurch eben oft Türen zugeschlagen. Da hat man es dann teilweise einfach doppelt schwer.
Jetzt mal zur Sendung: du spielst eine wilde Mischung aus den letzten 3 Jahrzehnten, wenn nicht sogar 4, angefangen bei Disco & Electro und Acid House, über natürlich die ganzen Chicago- und Detroit-Sachen bis zu heutigem Techno, Dubtechno und Beatdown/IDM-Geschichten. Hab ich das korrekt wiedergegeben?
Korrekt! Schwerpunkt ist natürlich im 4/4 House- und Techno-Kontext Chicago, Detroit, Acid. Aber auch ein sich weiterentwickelnder, neuer Electro und kontemporärer Techno, wobei ich nicht unbedingt oder ausschließlich ein großer Fan dieses zeitgenössischen Berghain-Techno-Modells bin. Da gibt es ja auch jede Menge drumherum. Also ich hatte zum Beispiel immer einen starken Hang zu UK Breakbeats, ergo auch zu Dubstep oder auch Halfstep, weil der noch technoider ist. Sozusagen auf dem Floor noch mehr fliesst. Aber ich hab auch überhaupt kein Problem damit, wie etwa in der letzten Sendung, zurück zu Disco/Funk und Proto-House-Tracks wie Roy Ayers’ „In The Dark“ zu gehen. Oder auch mal frühen Electro, Sachen eben aus der Frühfindung elektronischer Musik von 81/83 aufzugreifen. Das sind ja im Grunde genommen alles die Vorreiter gewesen. Wir könnten jetzt auch Fad Gadget mit „Coitus Interruptus“ nehmen oder diese belgische New Wave-Band Fingerprintz mit „Wet Job“. Ein Ding, das mir ganz, ganz nahe liegt, weil ich es selber irgendwann dann mal auf dem eigenen Label gecovert habe. Ich bin halt ursprünglich mit Soul, Funk, Disco und New Wave groß geworden, und das ist bis heute eine weitere nicht unerhebliche Leidenschaft für mich.
Die Platten hab ich halt – fast – alle. Hab sie alle wie blöd gesammelt und kann heute einfach schnell darauf zurückgreifen. Ich stelle mich vor jeder Sendung 3-4 Stunden hin und greife mal mehr, mal weniger in die eine oder andere Ecke . Ich möchte in Zukunft auch Labelspecials in einer Sendung machen, da ich etliche Labels komplett habe. Zum Beispiel Cajmeres Clubhouse imprint, oder Label-Legenden wie Nu Groove oder DNH, ein kanadisches House-Label von Nick Holder. Oder ein Soiree Records Int. Special, wo wir den Kollegen gerade hier auf Tour zu Besuch haben. (Soiree-Chef Derrick „Drivetrain“ Thompson ist gerade zu Besuch).
Wie suchst du die Djs für Gast-Mixes aus?
Das ergibt sich manchmal einfach aus einem spontanen Kontakt heraus. Für 2018, wo ich jetzt über „SpyInTheHouse“ und „Under The Radar“ mehr Spiel-Plätze verteilen kann, wird es in der Folge jetzt einen genauen Termin-Ablaufplan geben. Derrick Thompson kommt zum Beispiel im Mai wieder rüber, dann kriegt er also einen der „UTR“ Montage im April. Es kann zufällig sein, es kann auch Planung sein. Ich möchte das dann, wenn es etwa einen aktuellen Anlass gibt, z.B. in Verbindung mit ‘ner Buchung im Düsseldorfer Golzheim, das auch so’n bisschen miteinander verbinden können.
Den Psycho Thrill Abend im Golzheim machst du dort einmal im Monat?
Ja, in Absprache mit Daniel Fritschi. Was sehr gut funktioniert, weil wir inhaltlich, vom musikalischen Geschmack her und vor allem, was unsere Vinyl –Obsession betrifft, auf einer Wellenlinie funken und der Club wirlich mit Herzblut betrieben wird. Und das nicht nur aus rein betriebswirtschaftlichen Interessen. Das heisst, dass da ein ganz anderer Ansatz existiert, der mir persönlich sehr , sehr sympathisch ist.[divider line_type=“No Line“ custom_height=“60″]Unser Gespräch ging dann noch locker eine Stunde weiter, entfernte sich aber immer weiter vom Radio-Thema, um das es hier ja in erster Linie gehen sollte. Man braucht Claus Bachor ja nur kurz anzutriggern und er erzählt und erzählt, kommt von einem Thema zum nächsten und von da zum übernächsten.
Vielleicht machen wir ja mal ‘ne Geschichte über das Golzheim oder die große Psycho Thrill Story. Material ist ja erst mal ausreichend vorhanden ….