urbEXPO oder die Ästhetik der Papierfabrik
Menschen schleichen sich heimlich in seit Jahrzehnten verlassene, verrottende Fabriken, Kirchen, Hotels und machen dort Fotos, die den Verfall dokumentieren, aber auch von längst vergessenen Zeiten erzählen. Sie lassen uns früheren Glamour erahnen oder die Härte der Arbeitswelten vergangener Tage. Es müssen nicht immer gleich die Steuereinheiten des AKWs in Tschernobyl sein, eine vergessene Brauerei im Sauerland kann den gleichen Zauber verströmen.
Vom 26. August bis 10. September 2017 findet im Bochumer Schlegel-Haus, dass selbst mehr als eine Geschichte erzählen könnte, die internationale Ausstellung urbEXPO zum sechstenmal seit 2012 statt. Künstler aus Deutschland, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz sind mit ihren Arbeiten zu den Themen Lost Places und Ästhetik des Verfalls hier vertreten.
Ralf Odermann hat mit Organisator Olaf Rauch, selbst leidenschaftlicher „Lost Places“-Fotograf, gesprochen.
ATC: Wie bist du irgendwann dazu gekomme nalte Gemäuer zu fotografieren?
Olaf: Das war eigentlich eher Zufall. Ein Bekannter hatte mitgekriegt, dass ich eine Kamera besitze. Der ist damals schon gelegentlich über Industriebrachen gezogen und hatte keine Lust alleine zu gehen. So wurde ich langsam angefixt, erst mit dem Thema Ruhrgebiet, alte Zechen, alte Stahlwerke, inzwischen bin ich dann auch durchaus europaweit unterwegs um alte Gemäuer, nicht nur Industribrachen, aufzusuchen und zu dokumentieren.
ATC: Ist das nicht manchmal auch gefährlich?
Olaf: Ja…gefährlich ist ja alles. Man sagt ja so schön ‚beim Scheissen kann einen der Blitz treffen‘. Man muss natürlich vorsichtig sein, aber wenn man nicht alleine geht, so dass immer jemand dabei ist, der gegebenenfalls Hilfe holen kann, dann passiert da nichts. Und wenn man sieht, dass etwas zu gefährlich ist, weil der Boden wackelt oder bebt, dann sollte man auch nicht weitergehen, dann ist da Endstation.
ATC: Was war das beste, was du bisher dokumentieren konntest?
Olaf: Das ist schwierig bei schätzungsweise 500 Objekten in den letzten 13 Jahren. Am beindruckendsten war eine alte Papierfabrik im Schwarzwald, die habe ich entdeckt, als sie schon 10 Jahre stillgelegt war. Die war aber trotzdem noch komplett eingerichtet, das Kraftwerk mit allen Maschinen und Turbinen sah so aus, als wären die Arbeiter kurz zur Pause. Das war einfach schön. Gerade im Ruhrgebiet sind viele Objekte durch sinnlose Graffiti entstellt. Aber diese Papierfabrik ist eine meiner Lieblingslocations. Und mein Themenschwerpunkt Industrie. Es gibt noch eine alte Zeche in Elsass-Lothringen, die habe ich aber noch nicht ganz erkunden könen. Die ist auch von der Architektur sehr schön, Architektur hat ja sehr viel mit Lost Places zu tun.ATC: Was ist das Besondere daran, dass es dieses Jahr von allen Fotografen nur Serien eingereicht werden durften?
Olaf: Ein befreundeter Künstler hatte mich schon vor ein, zwei jahren darauf angesprochen, er meinte, die Ausstellungen seien immer sehr schön, aber die Motivauswahl wäre ja durchaus ein bisschen beliebig. Wir haben uns den Rat zu Herzen genommen, weil einfach eine Bildserie zu einem Objekttyp viel mehr eine Geschichte erzählt, als wenn ich von einem Fotografen hier ein Gefängnis hab, da ’ne alte Zeche und dann noch ’ne schöne verfallene Kirche. Auch wenn die einzelnen Arbeiten gut sind, erzählen sie halt keine Geschichte.
ATC: Du selbst bist ja auch musikalisch eher in der Industrial-Richtung zu verorten. Korrekt?
Olaf: Jaa… Elektronik zwischen Space und Industrial.
ATC: Gibt es da Zusammenhänge, Industrial-Sound und -Optik?
Olaf: In der Gesamtgeschichte meiner künstlerischen Geschichte schon. Ich hab eigentlich mit Musik angefangen. Ein Freund und ich, wir waren damals angefixt von den frühen Tangerine Dream-Geschichten und den ganz alten Klaus Schulze-Angelegenheiten und natürlich Kraftwerk, haben dann ’87 angefangen, nur für uns elektronische Musik zu machen. Ein befreundeter Maler fragte damals, ob wir nicht bei seiner Vernissage auftreten wollten, dann haben wir unsere ganzen Rechner, Sequencer und Instrumente auf die Bühne geschleppt und ein paar Stücke zum Besten gegeben. das hat sich dann weiterentwickelt. bis wir für den Deutschen Kirchentag multimediale Themenshows gemacht haben. Da haben wir dann auch in Hamburg, München, Berlin und NRW gespielt. Wir haben uns Synthworx genannt. Aber nach 10 Jahren war das Projekt tot. Wenn man so lange zu zweit arbeitet, fängt der eine einen Song an und der andere weiss schon, wie er weitergeht… Wir haben uns nie aufgelöst, aber es ist eingeschlafen.
Dann hab ich lange Zeit nichts mit Musik gemacht. Aber dann im Kontext der urbEXPO, weil’s in der Ausstellung immer so still war, habe ich wieder angefangen, einmal im Jahr einen neuen Track zu machen.
ATC: Und der ist ja uch immer Hintergrundsound für den jährlichen urbEXPO Videotrailer.
Olaf: Ja. Und während der Eröffnung wird es wieder eine kurze Videoanimation mit Soundtrack von mir geben, wo die Arbeiten und die Künstler vorgestellt werden und die Geschichte der urbEXPO. Das sind so 7:30 Minuten, ziemlich kompakt, dieses Jahr eher poppig für meine Verhältnisse. Lassen wir uns überraschen!
ATC: dann viel Erfolg!
http://www.urbexpo.eu/de/Willkommen
http://schlegel-katakomben.de/