Pixel in der Zeche – Das Dortmunder Computermuseum vor der Eröffnung
Der zweidimensionale Raum, 8-Bit Sounds, Retro Gaming und klassische Computer finden schon seit Jahrzehnten in weltweiten und regionalen Szenen alltäglich statt. Nun bekommt das im Mainstream immer mehr wahrgenommene Phänomen („Pixels“, „Big Bang Theory“, Mode, Clubkultur, Kunst, Musikproduktion, digital natives) einen musealen, wissenschaftlichen und interaktiven Ort in Dortmund-Huckarde. Das ambitionierte und privat finanzierte Museumsprojekt brauchte fast fünf Jahre und verschwand aus dem Fokus vieler. Im Februar 2016 soll das digitale Erlebnishaus mit 700 Exponaten, Gastro- und Vermittlungsangebot auf 2000 Quadratmetern als „Deutsches Museum für persönliche Computer und Konsolen“ im Hülshof 28 eröffnen. Steffen Korthals blickt für uns hinter die Kulissen und spricht mit dem Museumsmacher Christian Ullenboom.
Selten ist ein derart großes Projekt in der Region an eine bestimmte Person geknüpft gewesen wie beim Dortmunder Computermuseum. Museumsmacher Christian Ullenboom ist Unternehmer, Bestseller-Autor einer JAVA-Programmierbibel und Sammler von Heimcomputern, Computerspielen und Konsolen. „Nachdem ich in meiner Branche das Gefühl hatte, alles erreicht zu haben, war mir langweilig. Ich habe über 50 Länder bereist, habe mir was Neues gesucht. Mir kam dann die Idee mit dem Museum – weil es ein komplexes und langfristiges Projekt ist. Dann habe ich angefangen zu sammeln“, erklärt der Unternehmer. Während das neue Fußballmuseum am Dortmunder Hauptbahnhof eher aussieht wie ein Adidas-Megastore, der noch auf seine Mode-Lieferung im Erdgeschoss wartet, versprüht das Huckarder Zechengebäude mit seinem digitalen Innenleben ein anderes Flair. Auf öffentliche Finanzierungshilfe wollte Ullenboom auf jeden Fall nicht bauen und sein Ding lieber unabhängig durchziehen. „Dafür ist das ganze Geld meines Lebens in das Museum gesteckt. Zum Glück habe ich eine entspannte Frau“, ergänzt der Museumsmacher. Obsessives Sammeln lehnt er ab, einen finanziellen Gewinn durch den Museumsbetrieb erwartet er nicht.
Dortmund als Standort für eines der wenigen Computermuseen in Deutschland, von denen noch weniger einen expliziten Bezug zu Heimcomputern und Spielen eingehen, war eher ein Zufallsprodukt. „Ich habe so ziemlich alle Städte in NRW angesprochen. Keiner hat es für nötig gefunden sich zurück zu melden. Nur in Dortmund hat jemand geantwortet. Also habe ich mich für diesen Standort entschieden, das Grundstück im Ortsteil Huckarde von der Ruhrkohle AG gekauft. Da hatte ich richtig Glück, denn das Gebäude und die Anbindung sind außerordentlich gut“, führt Geschäftsführer Ullenboom aus.
Das historische Zechengebäude stand zuvor jahrelang leer und beheimatet nun für alle Interessierten bald offen zugänglich über 40 Jahre Computergeschichte. Die Museumssammlung konzentriert sich dabei thematisch auf alle Computer und Konsolen, die Privatleute bis heute Zuhause hatten. Davon sind 200 Heimcomputer, 250 Telespiele und Spielekonsolen ausgestellt. Highlights sind erste Konsolen, wie Atari 2600, Bally Astrocade, Saba Videoplay, RCA Studio II und der ITT-Telematch Processor. Der Museumschef hat seine persönlichen Lieblinge: „Der Heimcomputer Acorn Archimedes ist einer meiner Favoriten sowie die Spiele Arkanoid und Boulder Dash.“
Von den über 700 Ausstellungsstücken sollen so viele wie möglich auch für den Besucher benutz- und spielbar sein. „Dabei müssen wir allerdings aufpassen, dass die teilweise sehr empfindliche Technik nicht irreparabel kaputt geht“, merkt Christian Ullenboom an. Mit Simulationen und Emulatoren, also Systemen, die andere nachbilden, zu arbeiten, ist nur teilweise möglich. Grund dafür sind rechtliche Hürden. Disketten und Kassetten als Datenträger dürfen vom Hersteller aus nicht kopiert werden. Dafür sollen viele Modul-Systeme für den Besucher spielbar sein. „Die halten ewig. Und was die Kassetten und Disketten betrifft: da bin ich Verhandlungen mit den Herstellern“, beruhigt der Museumsdirektor und ergänzt: „Aber Emulatoren wollen wir nur in Einzelfällen. Sonst brauchen die Leute ja nicht ins Museum gehen und können die Spiele auch von Zuhause aus spielen. Der Reiz liegt doch darin, die Games aus der Original-Hardware zu zocken.“ Der Erlebnischarakter ist Ullenboom wichtig. Er will ein Museum zum Entdecken. So zeigt das Museum auch viele Geräte und Spiele, die in Deutschland weniger bekannt sind, aber international erfolgreich waren. Ullenboom: “ Der englische Markt war ein ganz anderer als in Deutschland mit seinen Sinclairs. Und in Japan, da kann man nur staunen, was da abging und abgeht.“
Im Kontext eines Museums schwingt auch immer das Historische als Parameter mit, der einen Blick in Welten aufmacht, die es so gar nicht mehr gibt. Das weiß auch der Macher und Direktor des Dortmunder Computermuseums: „Bald wird keiner mehr einen PC oder Laptop haben. Smartphones sind persönlicher als jeder Computer zuvor – wenn man mal überlegt wofür die genutzt werden und was da alles drauf ist….Was Spiele betrifft, so ist Mobile Gaming die Zukunft. Das schnelle Spiel unterwegs mit kurzer Verweildauer und Aufmerksamkeitsspanne.“ Szenografen sollen helfen, den klassischen Museumsbesuch allerdings zu einer besonderen, zu einer aktuellen, spaß- und erkenntnisbringenden Erfahrung zu machen. Der Mann im Chefsessel kommt ins Schwärmen: „Neben der technischen und spielerischen Faszination ist die Entstehungsgeschichte der Computer- und Spielsysteme sehr interessant und vermittlungswürdig. Zum Beispiel Microsoft Office oder der C64 wären keine Standards geworden, wenn es die Kopierszene nicht gegeben hätte. Das war halt einfach damals zu kopieren und man konnte die Sachen auf dem Schulhof tauschen. Das hat wiederum dem System genutzt sich auf breiter Basis durchzusetzen.“
Auf eine breite Basis kann auch das Computermuseum im Ruhrgebiet bauen. Hier gibt es viele Retro-Börsen und Computerclubs sowie eine aktive Sammler-Szene. „Wir bekommen dankenswerterweise auch einige Leihgaben. Wir garantieren dafür beste Lagerungs- und Präsentationsbedingungen“, hebt Ullenboom hervor. Das Computermuseum leistet sich neben der Projektleitung noch fest angestellte Grafikerinnen, Texter, Szenografen, Techniker und weitere Experten im Team. Zusammen wird ein Mammut-Projekt gestemmt. Auf zwei Etagen soll es neben der Sammlung auch stetig wechselnde Sonderausstellungen zu sehen geben. Eine Gastronomie mit drei Festangestellten soll die durstigen und hungrigen Museumsbesucher versorgen. Außerdem planen die Museumsmacher eine Computer-Reparaturwerkstatt, verschiedene Bildungsangebote, ein wissenschaftliches Archiv mit Theorie und Technik sowie ein umfangreiches museumspädagogisches Vermittlungsprogramm. Ullenboom ergänzt: „Besonders stolz bin ich, wenn wir den Kids im Tonstudio, an 3D-Druckern und in frischen Virtual Reality-Spielwelten Kurse und Anleitungen anbieten können.“
Noch wird fleißig gearbeitet: „Gerade ist der Boden für 50.000 Euro gemacht worden. Zeitlich verspüre ich keinen Druck. Wir können ja alles selber bestimmen“, weiß der Museumschef. Das „Deutsche Museum für persönliche Computer und Konsolen“ soll sechs Tage die Woche geöffnet haben. Am klassischen Museums-Ruhetag, dem Montag, wird das Computermuseum geöffnet haben. Im laufenden Museumsbetrieb zwischen 9 und 21 Uhr werden acht bis zehn Mitarbeiter vor Ort sein. „Zunächst fanden die Leute von der Stadt die Pläne lächerlich. Aber bei mir haben sie sich getäuscht! Die Stimmung kippt so langsam und allmählich merken die Offiziellen, was hier abgeht“, zeigt sich Ullenboom überzeugt. Es bleibt spannend. Und denkt daran, wenn wir uns am Controller treffen, wo ihr es zuerst gehört habt.
Alle Fotos: Tobias Zimmermann