Bericht aus der Electro-Hauptstadt
Vor der Konferenz (29.10.2015, 6:00)
Von Gastautor Timor Kaul
Endlich ist es soweit, die Konferenz zum Buch Electri-City öffnet in Düsseldorf ihre Pforten! Und so werden wir, die Jünglinge der Elektronischen Musik in das frisch gekürte ,Electro-Mekka’ pilgern. Mit dem eigenen Wagen auf der Autobahn oder auch im Trans Europa Express. Ach, der heißt neuerdings ICE? Sei´s drum! Denn bei den Shows von Kraftwerk, da fährt er noch, der TEE, quer durch den Konzertsaal in 3-D animiert. Und überhaupt lässt Kraftwerks Retrofuturismus die gute alte Bundesrepublik wiederauferstehen, wo noch Hochhäuser in Metropolis gebaut wurden und optimistisch in die Zukunft geblickt werden konnte. Und Kraftwerk gehört zu Düsseldorf, wie Düsseldorf auch zu Kraftwerk. Dort in der Mintropstraße 16, im Hof bei der Firma Elektro Müller und nahe dem Hauptbahnhof fing 1974 mit dem Titeltrack des Albums Autobahn alles an. Alles, das meint hier nicht weniger, als die Geschichte der Elektronischen Popmusik.
Rüdiger Esch ist angetreten dies zu beweisen. In seiner Oral Pop History Electri-City hat er Statements zahlreicher Protagonisten aus der Düsseldorfer Musikszene der Jahre 1968-86 zusammengetragen. Dies ist sehr lesenswert, beweist aber noch lange nicht, was er damit beweisen wollte. Ob Düsseldorf denn tatsächlich die Quelle, der Schmelztiegel oder gar die Hauptstadt der Elektronischen Musik ist, soll daher nun auf einem akademischen Symposium geklärt werden. Dazu sind auch zahlreiche Gäste aus Großbritannien angereist. Denn hier und in den USA fing die Begeisterung für die Musik >Made in Germany<, für Krautrock und Kraftwerk überhaupt erst richtig an. Und es tut der, trotz aller Forderungen nach dem ,Schlussstrich’ irgendwie immer noch schuldbelasteten deutschen Seele doch auch gut, wenn man nicht nur Weltmeister ist in Sachen Fußball und Export von Wirtschaftgütern, sondern auch noch mit Elektronischer Musik glänzen kann. Ja, wir sind wieder wer! Und ganz anders als früher, auch wenn man bei Fernsehberichten aus Dresden derzeit jeden Montag ganz andere Eindrücke gewinnen kann.
Man mag diese politische Dimension für übertrieben halten, denn schließlich geht es ja ,nur’ um Musik- oder doch auch um mehr?! Im Kleinen und Lokalen ist die Verbindung zum Politischen aber auf jeden Fall gegeben und zwar recht unmittelbar. Denn es tut der Düsseldorfer Seele allemal gut, wenn man mit Elektronischer Musik glänzen kann. Daher hat sich die Stadt Düsseldorf gleich drangehängt an die These von Herrn Esch und Herr Esch hat sich wohl auch irgendwie an die Stadt Düsseldorf drangehängt. Das ist auch gar nicht schlimm, denn so läuft´s nun mal oft, wenn man überhaupt etwas auf die Beine stellen will. Mit der morgen beginnenden Konferenz hat man dann auch gemeinsam Beeindruckendes auf die Beine gestellt. Doch wie es so oft ist, wenn erst mal Kohle ins Spiel kommt, bleibt etwas auf der Strecke. Das war schon in der guten alten Bundesrepublik bei Hütter, Schneider-Esleben & Co. und bei Delgado, Göhrl & Co. so, worüber in dem Buch Electri_City ausgiebig von damaligen Szeneangehörigen berichtet wird und dies ist auch jetzt bei der neuen Firma Electri_City & Co. scheinbar leider der Fall. Darüber wird dann an dieser Stelle mit heutigen Szeneangehörigen wohl noch zu reden sein. Selbstverständlich wird vor aber allem auch darüber zu berichten sein, was denn auf der Konferenz so gesagt wird zu der uns alle brennend interessierenden Hauptstadtfrage und anderen, vielleicht wichtigeren Themen. Stay tuned- demnächst mehr Berichte aus D´Dorf/ Electricity, der selbst ernannten Hauptstadt der Elektronischen Musik!
Zum Thema Electri_City hat Timor Kaul bereits folgende Artikel verfasst:
http://www.berlin-mitte-institut.de/electri_city-elektro-hauptstadt-duesseldorf/