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So nannte Moodymann nicht nur eine seiner legendären Platten, sondern es könnte auch der Titel eines Interviews sein, dass Journalistin Elena Stenczl lang und persönlich mit Dash führte, um den Versuch einer biographischer Fassung zu machen und die Beweggründe des Mannes hinter den Beats zu interpretieren.
So oder so ähnlich lautet die Antwort, wenn man ihn nach seinem musikalischen Geschmack fragt – aufs Kürzeste zusammengefasst: „Am bekanntesten bin ich für Drum’n‘Bass. Das ist englische Clubmusik entstanden in den 90ern, die sich wiederum aus dem Jungle entwickelt hat. Ist mit Breakbeats, also nicht ‚Boom Boom Boom‘, sondern Boom Shak Boom Boom Shak Boom Shak Boom Boom Shak. Wie Soul und Funk in schneller und mit Bass drunter, wie zum Beispiel beim Dub, Reggae oder Dubstep. Ich mag aber auch House, Techno und alles andere Geile wie Jazz, Worldmusic, brasilianische Musik, südafrikanischen Gqom – der ist eher düster, in Housegeschwindigkeit mit dubstepartigen Bässen, aber in einem anderen Arrangement als im House – und natürlich Hip Hop.“ Steffen „Dash“ Korthals ist leidenschaftlicher Musik- und Kulturliebhaber – und verdient mit dieser Passion seine Brötchen.
Geboren, aufgewachsen und seither wohnhaft in der Dortmunder Innenstadt-Nord, ist er Journalist, DJ, Pressesprecher, Booker und Dozent im und rund ums Ruhrgebiet. Der Brennpunkt Nordstadt ist einer der bevölkerungsdichtesten Bezirke im Revier. Gut jeder Zweite der rund 60 000 Bewohner dort besitzt keinen deutschen Pass. Oft sprichen Medien von Ghetto, Drogen und Prostitution, wenn es um diese Gegend geht. „Ich bin in einem sehr multikulturellen Setting aufgewachsen. Aber es war für mich normal, dass ich in der Schule einer der wenigen Deutschen war. Ich hab das nie nachteilig, sondern eher als produktiv empfunden. Kultur und Subkultur können immer dann gut gedeihen, wenn das Surrounding (nicht unbedingt der Mensch dort an sich), etwas abgefuckt ist. Die Leute sind gezwungen, kreativ und aktiv zu werden“. Und so ist auch Steffen kreativ und aktiv geworden. Die Idee, Journalist zu werden, hat er schon in der Grundschule. Das Schreiben liegt ihm. Während der Kindheit und frühen Jugend vergräbt er sich schon mal in Büchern, lernt Klavier und macht eine Dirigentenausbildung. Musik ist schon immer elementar wichtig für ihn und seine musikalische Familie. „Wie man sich als junger Mann eben so auslebt“, bricht er irgendwann aus und geht schon bald viel und exzessiv aus. Besonders oft anzutreffen ist er im Club Rote Liebe in Essen, in dem viele DJs aus Chicago und Detroit auflegen. Hier entwickelt sich der Wunsch, selbst hinter den Turntables zu stehen. „Ich fand es immer faszinierend, was der DJ mit den Leuten da gemacht hat, wie er sie mitgerissen und auf einer völlig anderen Ebene abgeholt hat.“
Neben dem Clubbing und den Anfängen als DJ, studiert Steffen Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Psychologie und Medienwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum und legt so den Grundstein für seine journalistische Zukunft. Er ist zudem sozial engagiert, leistet Seelsorge und betreibt Jugendarbeit im Rahmen der Kirche. Gleichzeitig ist er viel in der Clubszene unterwegs und hat bereits den einen oder anderen Gig als DJ. Doch seinen christlichen Kollegen ist Steffens DJ-Tum ein Dorn im Auge, sie ermahnen ihn und wollen, dass er damit aufhört. „Denn jemand, der angeblich Sodom und Gomorra in den Clubs befeuert, kann nicht auch für die Kirche tätig sein. Das geht natürlich nicht zusammen!“. Also legt sich Steffen Mitte der 90er einen Künstlernamen zu, der drei Kriterien entsprechen soll: Er soll kurz sein, anknüpfbar an das, was man aus dem täglichen Leben kennt – in seinem Fall kommt ihm da spontan das Waschmittel Dash in den Sinn – und er soll eine Bedeutung haben. ‚To dash‘ heißt so viel wie schnell laufen und hinter Grenzen vorstoßen. „Außerdem hatte ich keine Lust mehr, im englischen Wörterbuch weiterzusuchen. Ich bin bis D gekommen, hab Dash gelesen und fand’s ziemlich cool. Auf ganz alten Flyern, wie zum Beispiel von den ersten Juicy Beats steht aber noch Steffen Korthals im Line up“. Als DJ Dash ist Steffen ein Pionier in der Elektroszene der 90er Jahre. Ab 1995 ist er Resident DJ bei eigenen Partyreihen und legt auch als Gast in verschiedenen Clubs auf. Er tourt durch den Pott, durch Deutschland und sogar quer durch Europa. Dash wird zum Aushängeschild für guten Drum’n’Bass. Generell legen sich Steffen und auch Dash aber nicht fest, was ihr Repertoire an Musik angeht. Abgesehen von Rock oder Schlager spielt und hört er alles, was im gefällt. „Wieso sollte man sich auch auf ein einziges Genre festlegen? Es gibt so viel geiles Zeug!“
Sein journalistisches Schaffen führt ihn in den Rundfunk. Neben dem Deutschlandradio, ist er auch beim Dortmunder Sender eldoradio* on Air. Mit seiner Sendung Vinyl Asyl traut sich Steffen als einer der wenigen Radiomacher in Deutschland, regelmäßig eine Autorensendung auf die Beine zu stellen. Autorensendung heißt, Steffen hat einen komplett freien Handlungsspielraum, was, wie und wann Musik und Wort in die Sendung eingebaut werden. Es gibt keine Redaktion, die ihm vorschreibt, was vorkommen muss, aber eben auch keine, die ihm beim Füllen der Sendezeit hilft. Steffen macht mit seiner Komoderatorin Flash alles selbst. Sogar die Musik legt er live, wie auch bei all seinen Gigs, mit Platten auf. „Ich finde es spannend und interessant, nur eine begrenzte Auswahl an Musik beim Auflegen zu haben. Man muss sich intensiv auf die Auftritte vorbereiten, überlegen, was für Leute zuhören bzw. vor Ort sein werden und dementsprechend ein Set zusammenstellen. Dafür verbringe ich viel Zeit in meinem Arbeitszimmer, in dem circa 16 000 Platten, Couchmobiliar und Plattenspieler stehen.“
Wo Steffen lieber auflegt, kann er gar nicht genau sagen. Im Club sieht er die Reaktionen der Leute, das kann positiv aber auch negativ sein. „Entweder, alle gehen ab oder alle verlassen die Tanzfläche, wenn du eine scheiß Platte spielst. Du hast aber die Möglichkeit, dann direkt darauf zu reagieren. Im Radio ist das nicht der Fall.“ On Air ist das Gefühl, Musik aufzulegen, ambivalent. „Einerseits ist es gut, dass du keine Reaktion bekommst, weil du dich mehr trauen kannst. Andererseits willst du vielleicht auch sehen, wie deine Musik in dem Moment ankommt!“ Auf Rückmeldung muss Steffen dann warten. Meistens bekommt er via Social Media Feedback seiner Zuhörer, oftmals sprechen ihn aber auch Leute bei Veranstaltungen an, bei denen er beispielsweise über die Popkultur referiert, und bedanken sich für eine tolle Sendung. Solche Momente sind ihm sehr wichtig, denn „wenn das eigene Schaffen den Leuten etwas bedeutet, dann ist das für mich ein großartiger Augenblick. Ich hab während meines Heranwachsens immer eingetrichtert bekommen, dass ich schlecht und nichts Wert bin. Und so versuch ich das dann vielleicht in gewisser Weise zu kompensieren, dass ich etwas Kreatives schaffe, was die anderen mögen und mir das auch sagen.“
Steffen Korthals hat viele Tätigkeiten. Er ist Pressesprecher, Berater und Booker verschiedener Kunst- und Kulturinstitutionen, doziert zum Beispiel und hält als Experte Vorträge zum Thema Popkultur bei Themenabenden. Bei all der Beschallung und Beschäftigung mit Musik gibt es dennoch Momente, in denen er einfach lieber mal abschaltet. Zum Beispiel darf es im Auto auch mal ruhig sein. „Irgendwann bin ich überreizt. Dann kann ich nicht mehr, dann sind die Ohren saturiert. Dann kann man einfach nicht mehr so aktiv hinhören. Dann wird vielleicht eine eigentlich geile Platte Scheiße.“ Seine Liebe bleibt aber grundsätzlich die Kombination aus Journalismus und dem Auflegen von Musik. Für ihn haben diese zwei Lieben sogar einen gemeinsamen Nenner. „Der Zusammenhang zwischen dem Wunsch Journalist und DJ sein zu wollen, ist die Kommunikation, mit den Leuten was auszutauschen, ihnen was zu vermitteln. Das Transportmittel für Information und Emotion ist einmal der Text oder das Wort im Radio – ich halte Emotion für noch wichtiger als Information – und im Club ist es eben halt die Musik, die die Emotion trägt. Ich finde es einfach schön, Emotionen zu vermitteln.“ Der Dortmunder sieht sich in erster Linie nicht als Dienstleister, weder als Journalist noch als DJ. Er möchte auch transportieren, was und wer er ist. „Und wenn Leute das mit einem teilen, also wenn man zum Beispiel Feedback bekommt auf einen Artikel oder wenn die Leute im Club einfach tanzen, die Augen zu machen, sich fallen lassen und lost into something sind, dann bin ich auch zufrieden.“
Gastbeitrag Elena Stenczl (Radio NRW, WAM etc.)