Bericht aus der Electro-Hauptstadt
Erster Konferenztag, Part II
Lass uns über die Hamburger Schule reden! So heißt ein Buch, in dem Frauen aus Hamburg über ihre oftmals kaum wahrgenommene und vielen sogar völlig unbekannte Beteiligung an dieser Szene reden. Und auch Kraftwerk scheint so ein Männerding zu sein. Das gilt ebenso für die Band, wie für die Mehrzahl ihrer Fans, was Konsequenzen für die Art ihres gegenseitigen Verhältnisses zu haben scheint. Kristina Flieger referierte gemeinsam mit Christoph Jacke und stellte eine empirische Untersuchung vor, in deren Rahmen sie Kommentare auf You Tube und der Facebook-Seite von Kraftwerk untersucht hatte. Neben der Kanonisierung der Düsseldorfer Fab Four als Schöpfer der elektronischen Popmusik, waren vor allem technische Diskurse auf You Tube zu finden. Bei der Untersuchung der Facebook fiel das Unpersönliche im Gegensatz zu anderen Seiten dieser Art auf. Denn die Kraftwerker geben keine persönlichen Kommentare und die Fans führen kaum personenbezogene Diskurse. Während bei Hütter, Schneider-Esleben & Co., den Schaufensterpuppen und Robotern Identitätsspiele, Geheimhaltung und die Verweigerung medialer (und kommerzieller) Rituale festzustellen ist, erfolgt auf Fanseite zwar die übliche Ikonisierung, aber keine Identifizierung oder der Aufbau einer ,Beziehung’ zu den Musikern. Der Kraftwerkmythos der coolen, antiseptisch distanziert wirkenden, ja nahezu asexuellen Jünger der Maschine wird so durch die Rezipienten mitkonstruiert. Aus der Schar der ebenfalls überwiegend männlichen Konferenzteilnehmer wurde dann allerdings die gute Frage gestellt, ob denn nicht vielleicht das künstlerische Werk Kraftwerks gar keine Identifikation anstrebe. Dementsprechend würde dieselbige, so wäre zu ergänzen, den Adressat_Innen auch gar nicht nahe gelegt. Lass uns über Kraftwerk und Gender reden!
Im Rahmen der Blauen Stunde sollte dann jedoch am Abend des ersten Konferenztages (von fünf Männern) über die Düsseldorfer Schule und deren Einfluss auf die aktuelle elektronische Musik geredet werden. Moderator Klaus Fiehe hatte gleich zu Beginn der Podiumsdiskussion nach diesem, ihm bis dato offensichtlich unbekannten Begriff gefragt, der bei Wikipedia denn auch eine Malerschule als Ergebnis liefert. Electri-City- Autor Rüdiger Esch versteht Düsseldorfer Schule vor allem in Abgrenzung zur Berliner Schule, in Düsseldorf habe man Dinge halt anders gemacht. Dass dies aber noch keine ,Schule` schafft, sondern in Düsseldorf recht unterschiedliche Arten von Musik gemacht worden sind, wurde im Verlauf der gemeinsamen Erörterung deutlich. Dies gilt übrigens auch für das Berlin der 70er oder Hamburg der 90er und selbst innerhalb der jeweiligen ,Schulen´ sind Unterschiede erkennbar (Lass uns über Genrebezeichnungen reden!) Insofern erscheint mal wieder der Szenebegriff als analytisch brauchbarer und der mitdiskutierende Hans Nieswandt umschrieb diesen in der Talkrunde recht treffend. Szene ist demnach, wenn alle jeweils ihr eigenes musikalisches Ding als Solisten oder Bands machen, aber anschließend in dem gleichen Laden abgehangen wird, um sich zu betrinken, über die anderen zu lästern und sich mit ihnen leidenschaftlich über Musik zu streiten.
Also, lass uns über Musik reden! Und zwar über andere Bands aus der selbst ernannten ,Hauptstadt der elektronischen Musik´, wobei dann eine weitere Frau mit interessanten Thesen zum Thema DAF zu Wort kommt- keep connected!