5 Tracks…
…die Krischan J.E. Wesenberg immer inspirieren

Ralf Odermann stellt kurze Fragen, Krischan Wesenberg philosophiert über’s Produzieren mit und ohne Seele

Q: Du hast kürzlich in einem Facebook Post beschrieben, welche Schwierigkeiten du damals hattest, das erste Album von Theo Parrish zu verstehen, wie es dich dann irgendwann total geflasht und letztendlich einen enormen Einfluss auf deine Produzententätigkeit gewonnen hat. Dabei war es soundtechnisch ja schon recht weit von dem, was ihr als Broccoli Brothers gemacht habt, entfernt.

A: Wir, also damals noch Thimo und ich, hatten nach den Veröffentlichungen auf Felix Da Housecats Thee Blak Label als Righteous men und Broccoli Brothers, sowie den ersten VÖs auf Force Inc US uns gerade mit Gedanken befasst, unsere Produzententätigkeit etwas ernster zu nehmen, und waren innerlich eher mit Fragen beschäftigt wie unsere Sachen besser klingen könnten. Wir produzierten damals auch relativ viele Sachen für Euromedial, die schier unendliche Mengen an Kompilations machten, in allen möglichen elektronischen Stilrichtungen. auch Gabba, Psytrance…

Da kam dann dieses Album, welches tatsächlich technisch nicht gut klang und verquer groovte. Johannes von den Broccoli Brothers fand das ganz herausragend. In unserem damaligen Fokus auf technische Fragen fanden wir das ganz entsetzlich. Johannes hatte aber gerade bei uns den Status eines geschmackssicheren Typen, wenn nicht sogar einer Geschmacksikone, also lief da irgendwas schief, oder unsere Geschmäcker hatten sich entzweit. Zweiteres wollte ich nicht so billig eingestehen. Also hab ich mir auf unserem CD-Brenner – 2xfache Geschwindigkeit! – eine Kopie gezogen und immer wieder mal gehört

Das hat relativ lange gedauert, bis ich der Platte was abgewinnen konnte. dann aber sehr viel. Zu der Zeit tauchten dann auch die ersten Moodymann-Sachen in meinem Plattenkoffer auf. die hatten auch so eine rohe Eleganz, Romanthony auch. Im Club entfalteten die Sachen auch eine sonderbare, schöne deepe Gewalt.
Das hat mich dann eine essentielle Lektion gelehrt. Dass Produktions und Soundqualitaet ja ne schöne Sache ist, aber für die Seele eines Titels relativ unerheblich, vielleicht sogar manchmal störend, oder einfach nicht stimmig.
Ein Scheiss-Track, der gut klingt, bleibt ein Scheiss-Track. Wobei Scheisse dann eher mit meinem persönlichen Geschmack zu tun hat. und andersherum.


Q: Omar S und auch Moodyman sind im Vergleich zu Parrish wesentlich geradliniger, lehren aber eine ähnliche Lektion.

A: Ja, genau, das tun die. Seele und technische Qualität sind zwei grundverschiedene Schuhe und je mehr ich mich mit Musikproduktion als Lebensinhalt/Profession befasste, umso mehr schien mir der ursprüngliche Faktor Seele bisweilen hinten über zu kippen, zumindest aus dem Fokus zu geraten. Das passiert unmerklich. manchmal fällt es mir dann auf, dass ich gerade eine an sich dufte und sich gut anfühlende Sache verwerfe, weil sie klangtechnisch nicht gut einsetzbar scheint, oder nachdem ich sie klangtechnisch gut im Griff habe, dann eben seelenlos ist.
Wenn ich mir eines solchen Momentes bewusst werde, muss ich immer so eine Handvoll Titel hören, die wie dasTheo Parrish Album oder auch Moodyman, Omar S und weitere Titel in dieser Playlist eben, die Seele ganz eindeutig in den Mittelpunkt stellen.
Zumindest für die Musik, für die ich mich dann auch künstlerisch mehr oder minder verantwortlich zeige und nicht nur als Produzent, Mischer, Masterer tätig bin, ist das erdend, sich wieder auf die zentralen Werte von Magie, Seele oder wie immer man dieses Gefühl benennen mag, zu besinnen.[divider line_type=“No Line“ custom_height=“20″]

Krischan wesenberg At The ControlKrischan Jan-Eric Wesenberg ist „Nutztongewinner“, Audio-Allrounder, selbsternannter „Multidilletant“, Aktivist und Idealist, Betriebswirtschaftler und Autodidakt und in diesen Eigenschaften tätig als Musiker, Musikproduzent, DJ, FoH-Engineer, Sounddesigner, Werbe-/Funktionsmusikerschaffer und Masteringengineer. Diese Tätigkeiten führt er mit einem Schwerpunkt auf elektronische bzw. elektronisch hergestellte Klangkulturen aus. – www.studio-600.com

[divider line_type=“No Line“ custom_height=“20″]Q: OK. Du hast auch Robert Hood genannt. wie inspiriert dich sein straighter, minimaler Techno?

A: Ja, wobei dessen technische Qualität ja hoch ist.

Q: Genau darauf wollte ich hinaus.

A: Das ist dann eher die Erdung in Richtung magischer Einfachheit bezüglich Sonwriting und Dramaturgie. Wie das für technische Handwerkskunst ist, gilt das auch für songwriterische. Zu viel davon kann auch die Magie zerschmettern. In die Kategorie faellt dann auch Basic Channel. Dass ich da vorwiegend auf klassiche Technosachen zurückgreife, hängt natürlich mit meiner musikalischen Sozialisation und meinem Werdegang zusammen, und den analytischen Kram, den ich dazu dann heute abgeben kann, hatte ich als Baukasten natürlich nicht zur Hand, als diese Sachen zum ersten mal hörte und reflexhaft gut fand. Da wird sicherlich jeder andere Zugänge und Erfahrungen machen. wobei es bezüglich der jetzt hier im Verlauf bereits genannten Künstler ja durchaus einen „Konsens des Coolen“ gab und gibt.

Q: Gerade beim Techno geht’s auch darum, zu wissen wann ein Track fertig ist…

A: Ja, da geht es um Reduktion, Essenz und Vertrauen in sich, wann alles „gesagt“ ist. und wie lang eine Magie trägt und Spannung aufrecht erhält. Ich bin da im Musikmachen nie sonderlich gut drin gewesen, weshalb ich wahrscheinlich nie so richtig gute Technosachen selber machen konnte.

Mit den Möglichkeiten, die heutige Musikproduktionsumgebungen bieten, also total recall und sowas, was uns heute selbstverständlich ist, wurde das für mich auch immer noch schwerer, diesen Punkt zu finden oder empfinden. Wenn ich heute was mache, was ich gut finde, muss das morgen, wenn ich es wieder aufmache und höre, nicht mehr so sein. Das Vertauen zu sagen „wenn das gestern richtig war, kann das nicht scheisse sein“ geht mir leider zu sehr ab. Ich denke, deshalb bin ich eher in diesen etwas poppigeren Segmenten gelandet, wo man die Essenz hinter Lagen von klangtechnischen und songwriterischen Handwerklichkeiten verstecken kann.

Q: Mir hilft es immer, die Sachen länger liegen zu lassen.

A: Ja, das halte ich auch so. Das hilft so ein wenig, scheint mir aber auch keine Garantie zu sein, dass so ein Gefühl beim Machen dann später auch noch so wiederholbar im Empfinden ist. Das mit den Gefühlen ist halt leider echt nicht planbar und nur bedingt konstruierbar. Da kommen schnell so Begriffe wie Authentizität hoch, magic of the moment, und die Einflussfaktoren darauf sind unermesslich und ganz basic. Wetter, Laune, Gegend, Stimmung…

Q: Bei den Homewreckers hast du ja Mitstreiter, die sagen, wann’s gut ist…

A: Eigentlich hab ich das immer, und immer gehabt. das machts einfacher und komplizierter zugleich. Auf einmal muss ein Song, je reduzierter der ist, umso schwieriger wird das, drei Leuten in der Stimmung, in der jeder gerade ist, gefallen und schlüssig erscheinen. Und das dann auch noch einige Zeit nachdem der liegen geblieben ist und gereift ist. Ich habe mir über die Zeit angewöhnt, mich da persönlich auch etwas zurückzunehmen und permanent zu hinterfragen. Wenn im Falle von Homewreckers Johannes und Gregor etwas nach Reife für gut befinden und ich nicht, gehe ich davon aus, dass gerade bei mir was nicht so ist, wie es beim Machen war und ich deren Urteil vertrauen kann. Und mein Urteil sich nur durch die Zeit gewandelt hat oder situativ anders ist.
Was dann gerne so Momente sind, wo ich auf obige Stückezurückgreife, um mein Mindset wieder gerade zu bekommen.
Tatsächlich ist das so ein Thema, was ich bei meinen Workshops an der HDPK Berlin den Studenten irgendwie beizubiegen versuche, wie das so mit der Seele in Tracks ist.
Mittlerweile mache ich unregelmässig so DJ-Sets in einer Kneipe – so ein bisserl goldkantemässig – wo ich wieder House, Techno, whatever auflege, um wieder deepe Sachen zu hören und auch zu empfinden.