Jetzt echt? Der Vater des Acid Jazz in Bergkamen
Die besten Dinge passieren, wenn man sie nicht erwartet. So geschehen am Freitag, 23. Oktober, in einer kleinen, hölzernen Sechziger Jahre-Aula im intimen Konzertkreis – als der Großmeister des Funk- und Soul-Keyboards Brian Auger ganz groß aufspielte.
Und das in Bergkamen (jetzt echt). Die einstmals größte Zechenstadt Europas und der Filmschauplatz von „Lass Jucken Kumpel“ ist nicht unbedingt als Kulturmetropole bekannt. Aber vertut euch nicht: Es gibt hier immer wieder spannende World Music-Konzert, zum Beispiel im Hafen Marina Rünthe, und einige musikalische Überraschungen im Studio Theater Bergkamen zu entdecken.
In einem, sagen wir mal, besonderen Setting zwischen Mett-Brötchen in der Schul-Aula und dem Geruch der verblassten Hoffnung auf eine möglicherweise farbenfrohere Zukunft für die einstigen Bergarbeiterkinder gab sich der legendäre Brian Auger zusammen mit Alex Ligertwood die Ehre. Was öffentlich eher in Richtung Rockkonzert mit Jazzeinflüssen und über Alex Ligertwood als ehemalige Stimme von Santana aufgefasst worden ist, war glücklicherweise eben dies genau nicht. Stattdessen gab es Funk, Soul und Jazz der erlesenen Sorte. Das Überraschungs- und Geheimtippkonzert des Jahres wurde vom grundsympathischen Brian Auger getragen. Immer wieder kam der 76-Jährige mit frechem und gleichermaßen höflich-englischem Charme in pointierten Ansagen herüber. Dabei ist sein Outfit und Hemdgeschmack unumstritten grässlich – aber in einer würdigen, legendären Art und Weise, wie es was wahrscheinlich nur bei echten Großmeistern funktioniert. Man muss diesen Charaktertyp einfach lieben! Unumstritten auch sein virtuoses Spiel, wie es zur Zeit nur noch vielleicht fünf weitere Keyboard-Spieler beherrschen. Auf seiner Hammond B3-Glitzer-Orgel, ich musste an Erobique denken und verstehe vollkommen, warum Brian Auger Inspiration zahlreicher House-Helden wie Moodyman etc ist, zaubert Brian Auger unglaublich stimmige Interpretationen von emotionalen Killern der Musikgeschichte: John Coltrane „A Love Supreme“, Wes Montgomery „Bumpin On Sunset“, Anita Moore „Compared to What“ und Donny Hathaway „I Love You More Than You’ll Ever Know“ mit einem Alex Ligertwood am Mikrophon, der mit prägnanter Stimmfarbe und Tonumfang dreier Oktaven beeindruckte, ohne dabei auf Santana-Revival zu machen. Alles in Allem ein legendäres Konzert, bei dem sich die Zuhörer irgendwie erwählt haben fühlen dürfen.
Manchmal im Leben ist man einfach am richtigen Platz zur richtigen Zeit.