Neues Vinyl: Drum & Bass
LOADSTAR – NATIVE / ONCE AGAIN – RAM
Drum & Bass
RENE LAVICE – DON’T LOOK DOWN (feat. BULLYSONGS) / AIR FORCE 1″ – RAM
Drum & Bass
Lang vorbei sind die Tage als Ram Records für subtile Roller und Bässe für die Ewigkeit stand. In den vergangen 20 Jahren haben sich Andy C und Kollegen voll dem Rave-Programm verschrieben – und haben dabei einige der dicksten Anthems der Drum & Bass-Geschichte raus gehauen. Die Release-Dichte ist hoch und auch die neuen Releases haben rein gar nichts mit dem Wort subtil zu tun. Das muss auch nicht weiter negativ sein, wenn dabei zwei Floor-Brenner heraus kommen, wie „Once Again“ und „Air Force 1“. Loadstar (aka Xample & Lomax) droppen mit „Once Again“ einen Stomper, der durch seine rockartigen Drums, jaulende Bassline und einem sehr gut platzierten Vocal-Snip zum Headnodden und Rewind-Rufen unwiderstehlich animiert. Auf der Rückseite liefert das Duo aus Bristol einen schmachtenden Drive ab, der mit Hoover-Bassline und männlichen „don’t let me sink when I’m drowinig“-Vocals zwischen Frühem-Morgen-Rave und Liquid wechselt und einer der besseren Tunes der Sorte ist für die man/frau sich nicht schämen muss.
Anders die A-Seite „Don’t Look Down (feat. Bullysongs)“ auf dem neuen Ram-Release von Rene Lavice, die mit wenig inspiriertem Nu Metal-Gesang und billigen Rave-Akkorden, die weder kicken noch hypnotisch wirken, eher Futter für Liquicity und den Bravo-Sampler sind. Aber jedem sein Ding, no offense. Auf der Rückseite kommt „Air Force 1“ mit einem ultra mächtigen und reduziertem Miami Bass-Intro in Kombination mit Rave-Hörnern daher, droppt dann mit einer gefährlich modulierten Bassline, die sich wie ein alter Propellermotor anhört. Oben drauf noch etwas prollige „just fly like an Air Force One in the sky“-Shouts und fertig ist ein Tune mit Rewind-Garantie. Ich kann die Tänzer auf dem Floor quasi schon sehen, wie sie Flugzeuge imitieren. Brett.
7/10
DIGITAL & RESPONSE VS DRUMSOUND & BASSLINE SMITH – FIRST WORLD PROBLEMS EP – FUNCTION
Drum & Bass
DIGITAL & RESPONSE – RIOT / NEW BREED – COMMERCIAL SUICIDE – COMMERCIAL SUICIDE
Drum & Bass
Die „First World Problems EP“ hat nicht nur einen smarten Titel, der einiges, womit wir uns hier beschäftigen, in ein anderes Licht rückt, bleibt aber sonst eher in der comfort zone des Neo-Jungle-Rave-Sounds. Das Titelstück „1.W.P.“ benutzt eben jene Old School UK Hardcore-Akkorde, für die Digital bekannt ist. Dazu kommen Dub-Effekte und ein treibender Jungle-Beat gebacked mit einem bösen No U-Turn-artigen Beat. Zusammen macht das einen wuchtigen Tune, der nicht ganz an „Garrison Law“ von Digital, Spirit & Response herankommt, aber immer noch massig Wumms und Musikalität hat. „Bail Out“, der B1-Track, macht dann mal richtig ernst mit dem Hardcore Druck und entsprechenden Klängen über einem perkussiven Riddim gepaart mit Alarm-Signalen und einer Bassline, die rein auf einem einzelnen Ton besteht und direkt ins Gesicht schlägt. Der zweite Track auf der B-Seite gehört Digital alleine. Sein „Bruk Down“ ist ein eher experimenteller Ausflug in dunkles Half-Beat-Gelände. Ein Terrain, das Digital besser beherrscht als dass er es hier zeigt.
Nochmals Digital mit Response, dieses Mal auf dem Label Commercial Suicide auf Klutes Label mit Tradition für Düsternis, Tiefe und Innovationgedanke. „Riot“ und „New Breed“ auf der A-Seite gehen wütend und dubby zur Sache, politischer Rockers der 70er meets Drum & Bass von heute. „Got Ya“ auf der B1-Rückseite sticht mit geschmeidigen Amens, Delays und einem mysteriös gehauchtem „God bless ya“-Vocals heraus, während „Unrest“ als zweiter B-Seiten-Track die Soundforschung von Digital & Response in Richtung DubTechno in Kombination mit aktuellem Drum & Bass weiter führt.
7/10
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KLUTE – SAVAGE CIRCLE EP – METALHEADZ
Drum & Bass
Klute vom Commercial Suicide-Label schaut derweil auf Goldies legendärem Metalheadz-Label vorbei, das neben V Recordings seit Monaten wieder eines der spannendsten L im Drum & Bass ist. „Westernized“ auf der A-Seite bringt die Gitarre zurück ins Genre. Das macht Klute alle paar Jahr mal, und das meist mit einer vortrefflich warmen und dopen Stimmung. So auch hier und die Sounds flirren cineatisch über einen leider nur durchschnittlichen TwoStep-Beat. „Mirror“ auf der Flipside ist einer der bösen und gleichzeitig tiefen Hitter, die Goldie gerne aus seinem Köcher zieht, wenn es auf dem Floor grimmig werden soll. „Just What You’re Feeling“ schließt die EP mit einem verträumten Roller ab, der gerade die richtige Portion Trance meditativ und kess einfließen lässt.
7/10
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VARIOUS ARTISTS – CRITICAL PRESENTS SYSTEMS / EP 2 – CRITICAL
Drum & Bass
KLONE / SKYNET – OBLIVION / DISORDER – MINDTECH
Drum & Bass
VARIOUS ARTISTS – INVISIBLE 015 – INVISIBLE
Drum & Bass
GERRA & STONE – BACK HAND (DLR REMIX) / TOO DEEP VIP – DISPATCH LIMITED
Drum & Bass
VARIOUS ARTISTS – ENCRYPTED – PROGRAM
Drum & Bass
Bei den aktuellen Neurofunk-Releases stechen einige Produktionen aus der Werkzeughaftigkeit mancher Veröffentlichungen in diesem Drum & Bass-Genre heraus. „This Misery“ von Fre4knc feat. Mongoose auf dem Label Critical kommt auf koloriertem Vinyl inhaltlich dystopisch grau und mit erhobener Faust gegen die vom MC Mongoose zitierten „First World Problems“ einher. „Gouvernement is enemy“ reimt sich hier bitter auf „this Misery“ und „everything is hopeless, mankind is broken“ ist die Punchline dieses dunklen Half-Time Schwingers in Magen- und Gedankenwindungen.
Auch nicht verkehrt: Die neue 12″ auf dem Label Mindtech bringt mit „Oblivion“ von Klone einen Stepper mit Moped-Feeling und Bounce im Stile von Andy C & Shimons „Body Rock“ hervor.
Das von den Neurofunk-Stars Nosia kuratierte Label Invisible steht eher für die abstrakte Seite des niederländischen Trios. Auf Invisible gibt es immer wieder frische Ideen, die sonst in den größeren Produktionen Noisia schwerer zu finden sind. Das Spektrum des aktuellen Doppel-Vinyls Nummer 15 reicht von technoidem Roboter-Funk des Produzenten Signal über den kranken Klopfer „Airlock“ von Doctrine bis hin zu einem reduzierten Stück von Current Value, das man so nicht hat vermuten können und mit einem prägnanten Cluster sich ins Gehirn fräst. Den Sound würde ich gerne mal auf den großen Raves hören, aber bis dahin müssen noch einige Kinder erwachsenen werden. So lange werden sich, wie eigentlich seit Anfang der Clubkultur, die innovativen Klängen in kleineren Locations mit offengeistigem Publikum tummeln.
„Sounds so deep, too deep to sleep“ ist die Ansage auf der neuen Dispatch-10″, die von Gerra & Stone beigesteuert wird – einem Duo, das spätestens seit ihrer „Unbreakable EP“ auf Dispatch mehr Beachtung genießen sollte. Ihr „Too Deep VIP“ lohnt sich alleine schon wegen der dort benutzen Sounds, die an heulende Nachtzüge in verlassenen Landstrichen Amerikas erinnern.
Das Neurofunk-Package, das für die Tanzfläche am komplettesten zurzeit auf dem Markt ist, das ist der „Encrypted“-Sampler auf dem Ram-Unterlabel Program. Militanter Neurofunk mit Mobb Deep-Sample (Slang Banger „Slaughter House“), Bassline-Jungle-Bizz mit technoidem A Guy Called Gerald-Gefühl (Bladerunner „Old Times“), Mensch-Maschinen-Step mit der Ansage „you are a robot“ (Chris Su „U-r-a-r“) und ein Amen-Killer, der sich auch in Rotterdam gut machen sollte (Battery „Replicant“), machen die EP zu einem guten Griff.
7/10
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SEBA, PARADOX & MANOS – BECAUSE / LIE TO ME – PARADOX MUSIC
Drum & Bass
UNKNOWN ARTIST – ORANGE MOON – FOKUZ
Drum & Bass
BREAK & KIYO / BREAK – SIMPLER TIMES / TOP SHOOTER – SYMMETRY
Drum & Bass
Die Qualität der Veröffentlichungen im Liquid-Genre des Drum & Bass ist zweigeteilt in eher schnell produzierte Weg-Werf-Ware aus Trance-Pop-Drum & Bass-Hybriden und eher auf Soul, Dub, Futurismus oder Funk setzende Nummern. Letzteres geht meistens, aber auch nicht immer, gut, wie bei dem aktuellen Release auf dem starken Paradox Music-Label. Der melancholische und zugegeben etwas schwülstige Gesang von Robert Manos begeisterte vor zehn Jahren nicht nur DJ Flight in ihrer damaligen Radiosendung, sondern auch Labels wie Horizons, Secret Operations oder eben Paradox Music. Die neuen Stücke „Because“ und „Lie To Me“ wollte ich unbedingt gut finden, doch ein unausgewogenes Mastering (oder ist es die Pressung – und warum muss gerade jede zweite Veröffentlichung im Drum & Bass ein koloriertes Vinyl sein?) mit einem Zu-Viel an undefiniertem Bass und Arrangements, die wenig Akzente setzen können, enttäuschen meine hohen Erwartungen.
Auch eine farbige 12″, aber wesentlich besser im Klang, ist das neue Remix-Release auf dem niederländischen Liquid-Label Fokuz Recordings, das schon mit einigen White Labels und semi-offiziellen Remixen in den vergangenen 16 Jahren für Wirbel im melodiösen Drum & Bass-Zirkus gesorgt hat. Wieder ein mal steht Erykah Badu auf dem Remix-Programm. Und Gott, wir danken Dir dafür, den um die first lady des Soul ist es seit einiger Zeit ruhig geworden. Der Drum & Bass-Remix von „Cleva“ macht – bis auf ein für DJs eher ungünstiges Intro – alles richtig, hat genug Verve für den Floor und Charme für die Bar, während der Remix von „Orange Moon“ mental geht mit seinen Amen-Breaks und sehr präzisen Bässen, die sich in Lautstärke und Intensität verändern und mit auf eine Reise nehmen.
Gewohnt solide ist einer der ausgewiesenen Füchse im Beat-Basteln mit passendem Namen auf seinen eigenem Label Symmetry unterwegs. Break schöpft mit Blues-Gitarre like Gary Moore never happened plus Trademark-Frauen-Vocals und krossem Groove sowie Dillinja-inspiriertem Drop auf „Simpler Times“ den Soul mit großen Löffeln ab.
4/10 bis 7/10
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