Neues Vinyl: House/Techno
QNETE – LESSONS IN FINDING EP – LOBSTER THEREMIN
House
Das englische Label Lobster Theremin hat mich ob seiner Hippness bis jetzt inhaltlich eher wenig überzeugt. Doch manche Releases halten auch, was der Hype verspricht. Wie die aktuelle Veröffentlichung von Lobster Theremin mit dem Bremer Produzenten Qnete. Ein Release, das sich genauso heimelig anfühlt, wie die auf dem White Label gestempelte Socke aussieht. Der Opener „A Luv Jam“ badet warm in NuGroove-Referenzen, „I Might Be Wrong“ jacked erst amtlich los, bevor er schließlich eine Glenn Underground meets Innervisions-Ästhetik addiert. „Dresden“ auf der Rückseite scheint mir eine Referenz auf den House-Klang der Elb-Stadt zu sein. inklusive walking bassline und ätherischen Flächen.
7/10
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GWILYM GOLD x DOX DANEEKA – LUST FOR SALE (MGF REMIX) – WHITE LABEL
House
Das ohnehin schon imposante IndiePop-Original von Gwilym Golds „Lust For Sale“ verliert im House-Remix zwar seine spielerische Note, dafür treten die Lyrics mehr in den Vordergrund, die einen sexuell aufgeladenen männlichen Blick umdrehen und sich selber zum Objekt machen. Doc Daneeka ist der Cousin von Gwilym Gold und von Labels wie Numbers und 50Weapons bekannt. Wenn die Welt gerecht wäre, dann würde diese nur auf Vinyl erhältliche Nummer mit tiefem und catchigem Dixon-Feeling ein Hit auf den Floors werden.
8/10
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RÓISÍN MURPHY – EXPLOITATION (PRESIDENT BONGO REMIX) – WHITE LABEL
House / Techno
Dieser Remix ist einer der Platten, die am meisten nachgefragt wird, wenn ich irgendwo auflege. Der Beat ist so subtil und gleichermaßen drängend, die Spannung kaum zu definieren, während die mysteriösen Vocals der ehemaligen Sängerin von Moloko aus allem heraus stechen, was gerade an House- und Techno-Gesang unterwegs ist. Gepaart mit unheilvollen Streichern und an den richtigen Stellen weinenden 303-Sounds sowie Lyrics einer prekären Bohème ist der „Exploitation Remix“ von Alfred Moore, dem Mann mit den wohl sinnfreiesten Synonymen im Club-Geschehen (President Bongo, Stephan Stephensen, President Penis), ein emotionaler Höhepunkt in korrekten Underground-Club-Nächten.
9/10
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FRANCK ROGER – HOME INVASION 08 – HOME INVASION
House
Nicht jede Disco-CutUp-Scheibe ist dadurch cool, das sie aus den Neunzigern ist. Auch damals gab es schlechten DiscoHouse, meist davon mehr als den guten Stoff. Auch war nicht jede DJ Sneak-Nummer der Stein des Weisen. Immer mehr DJs haben es sich aufgrund irgendwelcher Hippster-Statuten auf die Fahne geschrieben, Filter-DiscoHouse in ihre Sets einbauen zu müssen. Das ist oft peinlich, gibt es doch auch gute Nummern im Segment, die man/frau halt diggen muss. Oder man/frau spielt direkt originalen Disco, was meist sowieso die bessere Wahl wäre. Wie es besser gehen kann, das zeigt eine aktuelle DiscoHouse-Produktion des französischen Produzenten Franck Roger. „The Drift“ beherrscht auf dem White Label „Home Invasion Nummer 08“ die Klaviatur des guten Filter-Einsatzes und der guten Sample-Auswahl in Kombination mit Acid-Sprengeln und einem steppenden Beat. So geht DiscoHouse.
7/10
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DJ SPIDER & PHIL MOFFA – PSYCHIC SURGEONS EP – SUBLEVEL SOUNDS
Techno
Düsterer und analoger Techno von zwei Aktivisten der New Yorker Underground-Szene, der sehr industriell und maschinell wirkt, keine Sekunde auf Verwertbarkeit schielt und fast beängstigend entschwunden jeglicher Funkiness agiert. Wie in Endlosschleifen hängen gebliebene Industrieroboter, die in irgendeiner Lagerhalle vergessen wurden, ist die Atmosphäre in den vier Tracks dieser EP. Musik, die im Underground-Club durch ihr kompromissloses Rattern als dreckiges Tool und auf Medienkunst-Vernissagen als Kunst bestens funktioniert.
6/10
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ROMANSOFF – INFINITE DREAMS EP – MÖRK
Techno
Die rumänische House- und Techno-Szene ist wesentlich größer und aktiver als man es im restlichen Europa mitbekommt. In Bukarest tummelt sich Romansoff mit seinem Label Raw Tools, was auch der Lobster Theremin Labelmacher Jimmy Asquith mitbekommen und ihn für sein Unterlabel Mörk mit deepen Techno-Produktionen verpflichtet hat. Sphärisch bis doper Techno im Stile des legendären Labels Ferox, Juan Atkins‘ oder Robert Hoods in seiner „Nighttime World“-Phase sind auf den Tracks der EP versammelt. Vier deepe Schätze, die ihre Kostbarkeit mal als Peaktime-Stück im DeepHouse-Set, mal im Techno-Set als eines der ewigen Versprechen nach Erlösung ausstrahlen.
8/10
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ZENKER BROTHERS – POLLIONI EP – INDEX MARCEL FENGLER
Techno
Das Münchener Label Illian Tape von Dario und Marco Zenker ist eines der aufregendsten Imprints für anspruchsvollen Techno, der auch schon mal Richtung Ambient Jazz oder UK Hardcore gehen kann. Berghain-Resident Marcel Fengler hat die Brüder für ein Release auf seinem Label gesigned. Die vier Stücke der „Pollioni EP“ sind avanciertes Floor-Material mit Mindfuck-Faktor und innovativen Beats, wie man/frau sie sonst nur bei Blawan oder auf dem Grokenberger-Label zu hören bekommt. Auch die Arrangements überraschen mit ungewöhnlichen Wendungen, Claps, Bassläufen. Das Ganze extrem groovy, jazzy und immer mit Punch. Das soll dem Super-Duo erst mal einer nachmachen. Mal wieder eine Standard setzende EP der Zenker Brüder.
9/10
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CRYPTIK – RADIANCE EP – FIGURE
Techno / House / Electronica
Len Fakis Label Figure präsentiert mit der „Radiance EP“ ein altermildes Werk des langjährigen Techno-Produzenten Johannes Heil (Kanzleramt) voller melancholischer Melodien und experimenteller Sounds zwischen Ambient und Soundtrack-Klangwelten. Mit im Paket sind auch zwei Tracks mit Beats, die auf dem Floor funktionieren werden: das zehnminütige „Radiance“ mit dem leicht esoterischen Gefühl früher Warp-Platten und „Messenger“ im niedertourigen House-Tempo um die 115 bpm und einen einnehmenden Piano-Lauf.
6/10