Zurück auf der Kirchenbank
Gotteshäuser, der Blues, Disco und Beziehungen sind bestenfalls nicht nur Schmerz, Machtausübung und Unterdrückung, sondern auch mit Release und Kontemplation korreliert. Die Konzerte in der Bochumer Christuskirche (u.a. organisiert vom „urban urtyp“-Kollektiv) sind ein gutes Beispiel dafür, wie es gehen kann. Vor nahezu ausverkauften Haus spielten Bugge Wesseltoft, Henrik Schwarz sowie Dan Berglund und verbanden ihre Jazz-, Klassik- und House-Wurzeln virtuos.
In ein warm-tiefes und architektonisch spannendes Setting gebetet, welches die Christuskirche neben ihrem qualitativ hohem Booking auszeichnet, hatten die drei Ausnahmemusiker meist in den längeren Stücken oder in den Songs mit Kickdrum ihre besonderen Momenten. Genau da kam die Stärke des Triologs zum Tragen: der Spiel mit Spannungen und Dynamik. Auch wenn die Audiotechnik mit dem Raum fiepend hörbar zu kämpfen hatte (einmal musste das Trio ein Stück deshalb abbrechen), war die Stimmung entspannt, die Bewegungen der Musiker im Altarraum dezent, die Musik kontemplativ – meist zwischen modernem Jazz, Klassik und Ambient.
Alle Fotos © Marc Eden
Musik und Akteure wirkten zwar nicht geschlossen, aber gefasst. Wie das Publikum, das sich angetan beim Applaus zeigt, aber Kopfnicken für einen revolutionären Akt zu halten schien. Explosive Momente bot das Konzert in seinen zwei Teilen aber auch wenig an. Und musste es auch nicht. Es gab schöne Soli (Berglund, den Kontrabass mal streichend, mal klopfend, mal zupfend, hatte ich so nicht auf der Rechnung), es gab beeindruckende Kreisbewegungen der Melodien, Wechsel der Tasteninstrumente, Konträres und Fluss mit dem Einmünden in leise Piano-Outros von Wesseltoft.
Teilweise erinnerten mich die Jams an Dego (4Hero) oder an Theo Parrish, aber auf eine lakonisch-skandinavische Art. In der Reihe hinter mir hörte ich Worte wie Prog Rock, was stellenweise gar nicht so weit hergeholt schien, mich jedoch wenig abholt. In der Christuskirche ist Raum für Experimente und ich bin dankbar, dass ich [Dash] hier mit meinem Bruder Club- und Orgelmusik im Konzertzusammenspiel ausloten konnte. Wenn Henrik Schwarz am Konzertabend etwas Loop-Artiges anbot, dann kam das Trio richtig ins Schwingen, entfernte sich zaghaft freudig von seinem tief melancholischen Vibe und erhob sich zu etwas Gospel- und Soulhaftem, dessen Drums Leid in Schönheit wandeln und nach oben zu schreien schienen. Zusammen über Widrigkeiten hinweg, befreiend in Ruhe, Verschmelzen und Aufmerksamkeit – eben wie im Club, der Kirche (was auch immer dies für Dich sein mag), der Beziehung und dem Zusammenspiel Deines Vertrauens.