Sampling in höchster Instanz

Posted by | November 25, 2015 | Art, Digital, Sound, Uncategorized | No Comments

Kraftwerk vs. Moses P. & Sabrina Setlur – vor dem Bundesverfassungsgericht

Von Gastautor Wolfram Goetz

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe befasst sich am Mittwoch (25.11.) mit dem Sampling als Kunstform. Moses P.(elham), sein Mitkomponist und „3p“-Label-Mitbegründer Martin Haas sowie Sabrina Setlur haben Verfassungsbeschwerde erhoben – wegen Verletzung der Kunstfreiheit.

Metall auf Metall
Vorangegangen war ein viele Jahre währendes juristisches Klingen-Kreuzen mit den Kraftwerk-Masterminds Ralf Hütter und Florian Schneider. 1997 hatte Sabrina Setlur „Nur mir“ veröffentlicht – ein Song, an den sich wohl kaum noch jemand erinnern würde, wäre er nicht durchgehend mit einem kurzen Sample aus dem Stück „Metall auf Metall“ unterlegt – dem mittleren Part von „Trans Europa Express“, einem der bekanntesten und herausragendsten Kraftwerk-Stücke. Die fragliche Sequenz ist allerdings auch für Kenner eigentlich nur am Anfang des Songs für zwei Sekunden klar hörbar.

Jura bizarr
Das reichte aber dem Bundesgerichtshof, der sich bereits zwei Mal mit der Sache beschäftigen durfte. „Auch die Entnahme kleinster Ausschnitte aus einer fremden Tonspur“ stellt demnach einen Eingriff in das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers dar und bedarf grundsätzlich dessen Zustimmung. So weit, so hart. Bizarr mutet hingegen für den Nichtjuristen an, dass eine Ausnahme nur (aber immerhin) dann gelten soll, wenn „die betreffende Sequenz nicht in gleichwertiger Art und Weise nachgespielt werden“ kann. Im Klartext: Kann ich einen Part nachspielen, muss ich es auch tun, statt (dann unerlaubterweise) zu sampeln.

Freiheit der Kunst

Gegen die Entscheidungen des BGH gehen Moses P. & Co. (acht weitere Musikschaffende haben sich angeschlossen) nun mit einer Verfassungsbeschwerde vor. Das ist ein eigenes Verfahren, nicht etwa eine nächste Instanz, es geht hier nur um Grundrechtsverletzungen, konkret eben um die Kunstfreiheit.
Konkret wird argumentiert: Durch die Verwendung kleiner Sample-Schnipsel entstehe dem Gesampelten bzw. dem Tonträgerhersteller kein merklicher wirtschaftlicher Nachteil –sprich: Kraftwerk werden durch das Setlur-Song-Sample wohl kaum auch nur eine einzige Platte weniger verkauft haben.

„Nur mir“?
Auch das „Nachspielbarkeits-Argument“ des BGH wird verworfen: Durch die Bezugnahme auf das gesampelte Werk werde ja gerade der Originalkontext gesucht. Musikschaffenden werde es unmöglich, sich mit Tonaufnahmen der Vergangenheit musikalisch auseinanderzusetzen.
Was die Karlsruher Richter dazu sagen, wird für jeden in Deutschland interessant sein, der fremde Musikstücke sampelt . Es geht um Grundsatzfragen: Was gehört der Kunst, der Allgemeinheit – und was andererseits „nur mir“?

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